Online-Unterricht: Erfahrungen und Fazit

Seit Ende April habe ich mich entgegen meiner zunächst vorherrschenden Überzeugung dem Online-Unterricht zugewendet. In der jetzigen Zeit bleibt einem als Gesangslehrer keine Wahl, wenn nicht jegliche Einnahmen wegbrechen sollen.

Meine Schüler waren nicht nur größtenteils bereit und motiviert (Ich danke euch von Herzen für eure Mitarbeit und Unterstützung!), sondern auch der Auslöser für den Online-Unterricht, da mehrfach gewünscht wurde, lieber über die modernen Medien Unterricht abzuhalten, als gar keine Stunden machen zu können.

Nach kurzen Anfangsschwierigkeiten fand ich folgende Lösungen, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte:

  1. Als Programm für Videochat nutze ich Zoom. Facetime funktioniert alternativ für Apple-User auch gut. Dies sind nach meinen bisherigen Erfahrungen die einzigen beiden Programme, die von Tonqualität und Latenz zum Unterrichten geeignet sind.
  2. Optimal ist es, wenn Schüler einen Computer/Laptop benutzen, aber auch Unterricht über ein Handy/Tablet ist durchaus sinnvoll, wenn das Gerät nicht zu alt ist und ein vernünftiges Mikrophon hat. Heutige Smartphones erfüllen das meistens.
  3. Anpassung des Unterrichtskonzepts:
    Es ist keine Frage: Training von hohen Tönen mit klassisch ausgebildeten Stimmen ist online nicht zweckmäßig.
    Aber was kann man gut machen?
    Ganz allgemein: Arbeit an Tiefe und unterem Passagio, Stimmsitz, Atmung, Anlehnung im Körper, Aussprache, Vokalausgleich, Bildung von Konsonanten, Analyse von Liedtexten bzw. inhaltlichen Zusammenhängen und Emotionen in Opernarien, …
    Sie sehen: Es gibt viele Möglichkeiten.
  4. Ein Sänger braucht Begleitung. Aufgrund der Latenz ist ein sinnvolles Begleiten „durch den Computer“ meistens nicht möglich. In Einzelfällen ist es mir gelungen, Schüler tatsächlich auch in der Literatur „live“ zu begleiten, aber man kann sich nicht darauf verlassen, dass die Internetverbindung stabil genug ist, um das zu ermöglichen und Abstriche muss man jedenfalls dabei machen. (Anmerkung: Sinnvoll gearbeitet können auf diese Weise mit fortgeschrittenen Schülern z.B. Rezitative.)
    Dafür ergab sich so die Gelegenheit, dass ich mir anschauen konnte, wie meine Schüler alleine zu Hause üben. Ich stellte fest, dass hier ein großer Bedarf an Unterstützung besteht. So habe ich mit allen Schülern zunächst geübt, wie sie welche Gesangsübungen selbst auf dem Klavier spielen können (was mit spielen, was a capella; welche Körperhaltung: wann sitzen, stehen; wie spielt man im Stehen und wie singt man dabei etc.).
    Und im nächsten Schritt haben wir geübt, wie die Schüler Literatur selbst am Klavier oder der Gitarre einstudieren können. Diese Phase war eine große Erfahrung für mich und ich werde auch im zukünftigen Live-Unterricht darauf achten, diese Aspekte im Unterricht zu beleuchten.

Fazit:

Obwohl der Unterricht online im Großen und Ganzen sehr gut funktioniert hat, haben meine Schüler und ich das Gefühl, dass er jetzt – nach knapp 3 Monaten – ausgereizt ist.
Die Dinge, die online gut funktionieren, haben wir ausgiebig gemacht und jetzt sehnt man sich danach, endlich wieder miteinander musizieren zu können und ich fühle, dass es Zeit wird, wieder etwas „Energie in meine Schüler zu stecken“, wie ich es im Live-Unterricht tun kann (z.B. durch lauteres Klavierspielen, ermutigende Zwischenrufe etc.), was online leider nicht funktioniert.

Online-Unterricht als Überbrückung: Ja, gerne. Aber es ist keine Dauerlösung.

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